Interview mit Axel Brüggemann

Worum geht es in Deinem neuen Format "Art in the City"?

Axel Brüggemann: Um die vielleicht spannendste Form der Kunst: um Graffiti und Graffiti-Künstler. Ist alles nur Schmiererei? Oder sind unsere Straßen die größte Galerie der Welt? Wir treffen Straßenkünstler, malen gemeinsam mit ihnen und stellen die Stars der Szene vor.

Kunst im öffentlichen Raum gibt es schon lange. Worin besteht das Besondere von Street Art?

Graffiti ist entstanden, weil Menschen, die von der Gesellschaft vergessen wurden, sich plötzlich in eine Stadt "einschreiben" konnten. Inzwischen ist Street-Art eine anerkannte Kunstform, mit der viel Geld verdient wird. Viele Künstler sind aber noch leidenschaftliche Freaks, die Gefahren, Anzeigen und Verfolgung auf sich nehmen. In der Regel kämpfen sie dafür, als Bürger die Gestaltung der Stadt mitzubestimmen.

Ist Street Art provokanter als Kunst, die man im Museum sehen kann?

Street Art greift direkt in unser Leben ein. Wenn wir eine Karte fürs Museum kaufen, erwarten wir Provokation. In der Straße überrascht sie uns, ärgert uns, greift uns im Alltag an – das ärgert, fasziniert oder erfreut uns. Street-Art ist zutiefst emotional, weil sie unser Umfeld verändert. Abgesehen davon ist die Dimension einer Häuserwand viel gigantischer als jeder goldene Bilderrahmen.

Welches Publikum wollen die Street-Art-Künstler erreichen?

Wer die Stadt besprüht, will die ganze Stadt erreichen und eine Debatte in der Öffentlichkeit anzetteln: Arm gegen Reich, Alteingesessene gegen Gentrifizierung, Revoluzzer gegen Spießer. Die Spielarten sind total unterschiedlich: mal ästhetisch wie beim Wiener Künstler Nychos, mal provokant und kriminell, wie die Berliner Graffiti-Bande "Berlin Kids", die nicht einmal vor Kirchtürmen zurückschreckt. Und dann gibt es noch die Künstler, die in die Galerien kommen wollen, um Geld zu verdienen. Street Art ist spannend, weil es so viele unterschiedliche Spielarten gibt.

Letzten Sommer hast Du für Sky Arts die Live-Übertragung von den Bayreuther Festspielen moderiert. Nun tummelst Du Dich in der Street-Art-Szene. War das eine neue Welt für Dich?

Absolut! Und dann auch wieder nicht. Wagner träumte davon, durch seine Opern die Welt zu revolutionieren. Und er wollte, dass die Bühne zur wahren Welt wird. Genau das sehen Street Art Künstler genauso: Sie verwandeln unsere Wirklichkeit in Kunst. Am Ende geht es darum, dass wir über unsere Welt, über das System, in dem wir leben, streiten – das passiert bei Wagner wie beim Graffiti. Übrigens habe ich in Gießen gemeinsam mit der Gruppe "3 Steps" ein Brünnhilden-Graffiti an eine Häuserwand gemalt!

Könntest Du dir auch vorstellen, ein Heavy-Metal-Festival zu moderieren?

So mit Headbanging, Schlammschlacht und Bier bis zum Abwinken? Logo! Ich glaube, dass guter Heavy Metal letztlich genau das Gleiche will wie Oper oder Street Art: auffallen, provozieren, berühren, ergreifen. Ob man dabei Champagner in der Hand hält oder ein Beck’s ist am Ende piepegal – Hauptsache es knallt!

Interview: Dirk Buhrmann